§ 118 Abs. 4 SGB V
1. Die Ermächtigung zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung in räumlich und organisatorisch nicht angebundenen Einrichtungen der Krankenhäuser (§ 118 Abs. 4 SGB V) setzt zwingend eine Bedarfsprüfung voraus.
2. Voraussetzung ist nicht, dass an dem geplanten Standort bereits eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene (teil-)stationäre Einrichtung betrieben und der Standort entsprechend in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen wurde.
3. Bei der Bedarfsprüfung für die Patientengruppe psychisch kranker und behinderter Menschen mit schweren Krankheitsbildern im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB V ist in erster Linie entscheidend, ob das Angebot der bereits bestehenden und ermächtigten PIAs ausreicht, einen bestehenden Bedarf bei den wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung auf die Behandlung durch ein Krankenhaus angewiesenen Patienten zu decken.
4. Bei der Bedarfsprüfung kommt es dagegen nicht darauf an, ob die niedergelassenen Psychiater, Nervenärzte und Psychotherapeuten im Einzugsgebiet der geplanten PIA noch freie Behandlungskapazitäten haben. Diese Leistungserbringer sind nur dann in die Bedarfsprüfung mit einzubeziehen, wenn sie ein den Leistungen einer PIA ähnliches Leistungsangebot vorhalten.
5. Die Zulassungsgremien überschreiten ihren Beurteilungsspielraum im Regelfall nicht, wenn sie die Ablehnung einer Ermächtigung nach § 118 Abs. 4 SGB V damit begründen, dass Behandlungsmöglichkeiten in anderen, weniger als 25 km vom Wohnort der potentiellen Patienten entfernten Institutsambulanzen bestehen.
6. Die Besonderheiten des betroffenen Patientenkreises mit schweren psychischen Krankheitsbildern machen es erforderlich, über die reine Distanz von 25 km hinaus zu überprüfen, ob die alternativen Behandlungsmöglichkeiten für diese Patienten auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar erreichbar sind.
7. Solange die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Anfahrt zu einer PIA nicht eine Stunde überschreitet, ist von einer zumutbaren Erreichbarkeit der PIA auszugehen. Ob allein auf Direktverbindungen abzustellen ist, hängt von der örtlichen Gegebenheit ab und fällt in den Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien.
8. Bei fehlendem Antrieb bzw. fehlender Motivation der Patienten, einen Behandler aufzusuchen, kommen andere Maßnahmen als die Ermächtigung einer Vielzahl von räumlich und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angebundenen PIAs in Betracht, etwa ergänzende Leistungen der GKV wie die Soziotherapie (§ 37a SGB V) und unterstützende Leistungen anderer Sozialleistungsträger wie die Leistungen zur Mobilität in Form von Leistungen zur Beförderung (§ 113 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).
(redaktionelle Leitsätze)
BSG, Urt. v. 29.06.2022 –B6KA3/21 R –
(Vorinstanzen: LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.11.2020 – L 5 KA 17/ 19 –; SG Mainz, Urt. v. 15.5.2019 –S6KA373/16 –)
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.2364-4842.2023.03.06 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 2364-4842 |
Ausgabe / Jahr: | 3 / 2023 |
Veröffentlicht: | 2023-02-23 |
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