§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8, Abs. 6 Nr. 5, § 14c Abs. 1 Satz 2, UStG § 151, § 157, § 315 Abs. 3 Satz 1, § 316, § 433 Abs. 2, § 651 Satz aF, § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB
1. Stellt ein Krankenhaus in seiner hauseigenen Apotheke patientenindividuell Zytostatika für eine ambulante Behandlung des Patienten in seiner Klinik her, kommt regelmäßig (stillschweigend) eine Bruttopreisabrede zustande, bei der der darin enthaltene Umsatzsteueranteil lediglich einen unselbständigen Preisbestandteil bildet.
2. Dabei kommt dem Krankenhaus ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht zu. Entspricht ein solches Preisbestimmungsrecht typischerweise nicht dem Interesse der Parteien und ihrer wirklichen oder mutmaßlichen Willensrichtung, ist es geboten, die bestehende Lücke durch Auslegung oder durch Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.
3. Die getroffene Bruttopreisabrede schließt nicht in jeder Hinsicht Rückforderungen des Patienten oder seiner Krankenversicherung aus. Wenn nicht nur die Vertragsparteien, sondern auch die Finanzbehörden bei Vertragsschluss von einer (materiell nicht bestehenden) Umsatzsteuerpflicht der Herstellung und Lieferung der Zytostatika ausgegangen sind und die Finanzverwaltung die später vom Bundesfinanzhof bejahte Umsatzsteuerfreiheit (rückwirkend) akzeptiert, ist die Abrede einer ergänzenden Vertrausauslegung bezüglich des entrichteten Umsatzsteueranteils zugänglich.
4. Die gebotene ergänzende Vertragsauslegung führt in den Fällen, in denen eine bestandskräftige Steuerfestsetzung noch nicht erfolgt ist und das Krankenhaus seine Rechnungen an den jeweiligen Patienten (unter Ansatz einer materiell-rechtlich nicht angefallenen Umsatzsteuer) nicht in einer den Anforderungen der § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8, § 14c Abs. 1 UStG entsprechenden Weise erstellt hat, regelmäßig dazu, dass ab der im Jahr 2016 den Krankenhäusern eröffneten sicheren Möglichkeit, die abgeführte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzuerlangen, der Rechtsgrund für die erbrachten Zahlungen in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und der vom Patienten geleisteten Umsatzsteuer abzüglich der vom Krankenhaus in Abzug gebrachten Vorsteuer entfällt.
5. In diesen Fällen ist der Erstattungsanspruch des Krankenhauses gegenüber dem Finanzamt nicht im Wege einer Rechnungskorrektur nach § 14c Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, sondern durch geänderte Steueranmeldungen für die betroffenen Besteuerungszeiträume vorzunehmen.
(amtliche Leitsätze)
BGH, Urt. v. 20.2.2019 – VIII ZR 7/18 –
(Vorinstanzen: OLG Schleswig, Urt. v. 20.12.2017 – 4 U 69/17 –, LG Kiel, Urt. v. 16.6.2017 – 8 O 95/17 –, KRS 2018, 164)
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.2364-4842.2019.07.06 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 2364-4842 |
Ausgabe / Jahr: | 7 / 2019 |
Veröffentlicht: | 2019-06-25 |
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